Am Abend des 31. Augusts öffnete der Garten der Begegnung an der Herz-Jesu-Kirche in Schildgen seine Pforten für die Klezmer-Band „Freylechs“ unter Leitung von Rolf Faymonville. Margret Grunwald-Nonte vom Vorstand „Himmel un Ääd e.V.“ und Lutz Urbach, Vorsitzender unseres des Städtepartnerschaftvereins, führten kurz in das Programm ein und überließen dann die Bühne für die nächsten eineinhalb Stunden den „Fröhlichen“, denn das bedeutet der jiddische Begriff „Freylechs“.
Bei Kerzenlicht bezauberten die Musiker rund 150 Gäste mit mal nachdenklichen, mal fröhlich-beschwingten Klezmer-Klängen. Und das, obwohl durch eine akute Erkrankung des Akkordeonisten Gabriel Floßdorf das gesamte Programm unter dem Titel „L’Chaim – Auf das Leben!“ gefährdet war. Die drei anderen Musiker Rolf Faymonville (Klarinette), David Dudziak (Chapman-Stick), und Tom Gerke (Percussion) stellten kurzerhand das Programm und die Arrangements um, und dank des Chapman-Sticks von David Dudziak ertönten immerhin noch vier Instrumente, denn der Chapman-Stick vereinigt sozusagen Gitarre und Bass in einem Instrument: Die eine Hand spielt die Gitarre, die andere den Bass. Die Gäste wussten den Einsatz der drei Musiker zu schätzen und applaudierten begeistert.
Zunächst stimmten die Musiker ganz sacht eine neue Version von „Hevenu Schalom alechem“ von Samuel Goldfarb an: „Wir wollen Frieden für alle, Frieden für die Welt!“ Die Gedanken gingen in den Nahen Osten und führten über den „Odessa Bulgar“ dann auch in die Ukraine… Danach wurde die verbindende Kraft der Musik hörbar in der Komposition „A Turkish Woman in Berlin“, in der sich der ruhige Tanz „Terkish“ mit einem Siebenachteltakt zu einem komplexen Kulturcluster entwickelte. In der Verbindung des „Araber Tantz“ mit dem „Heyser Bulgar“ verbanden sich der arabische und osteuropäisch-jüdische Musikstil zu einem harmonischen Ganzen. Wie der „King of Klezmer“ Giora Feidman einmal gesagt hat: „Wenn wir Musik machen, teilen wir die Seele miteinander – und mit wem ich die Seele geteilt habe, der kann nicht mein Feind sein.“ Utopien des Friedens, die Realität werden können…
Rolf Faymonville kann nicht nur die Klarinette zum Schluchzen oder Jauchzen und Lachen bringen, er erläuterte, dass deutsche Musikerinnen und Musiker ganz neue Spieltechniken erlernen müssten, wenn sie sich auf Klezmer-Musik einlassen, so z.B. um ein Vibrato auf der Klarinette hinzubekommen. Das Vibrato kann Rolf Faymonville perfekt spielen, aber er singt auch einfühlsam und interpretiert das bekannte Lied „Hine ma tov uma na’im shevet achim gam yachad“ – zu Deutsch: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen“. Die Gedanken ziehen erneut in die Krisengebiete unserer Welt…
Der Song „L’Chaim“ gab nicht nur dem Konzertprogramm seinen Namen, sondern beschreibt auch das jüdische Lebensgefühl: Trotz aller Gewalterfahrung und Verfolgung des eigenen Volkes über Jahrtausende hin, geben Jüdinnen und Juden dem Leben einen Wert, jedem Moment seine Bedeutung. So ist es möglich, immer auch das Schöne, Gute, Fröhliche wahrzunehmen und zu feiern. Wir sollten davon lernen, meinen Freylechs.
Das Konzert entführte in viele verschiedene Musikbereiche: „Oblivion“ thematisiert das Vergessen, „Le Tigre“ den mal schleichenden, mal jagenden Tiger, „Petite Fleur“ kommt jazzig daher, und in „Shpraytz ikh mir“ ist ein Bauer unterwegs zum Markt, will ein Pferdchen kaufen, bleibt in einer Kneipe hängen und kehrt dann heim, denn nun hat er kein Geld mehr für das Pferdchen. Jüdischer Witz blitzt auf.
„L’Chaim – Auf das Leben!“ – so heißt nicht nur eines der lebensbejahenden Lieder dieses Abends, sondern auch der jüdische Segens- und Trinkspruch, den die Gäste gleich mit klingenden Gläsern ausprobierten.