Ein Konzert mit Viola und Orgel im Rahmen des Bergisch Gladbacher Orgelsommers
Veranstalter: Katholische Pfarreiengemeinschaft Bergisch Gladbach-West und Städtepartnerschaft Ganey Tikva-Bergisch Gladbach e.V.
Am 28. Juni 2025 trafen in der Katholische Kirche St. Clemens, Bergisch Gladbach-Paffrath, Viola und Orgel aufeinander und vermittelten den gut 50 Gästen ein wahrhaft außergewöhnliches Klangerlebnis. Semjon Kalinowsky (Viola) und Guy Poupart (Orgel) kennen sich schon lange und musizieren gemeinsam so brillant, dass die Musik wie aus einem Instrument klingt. Sehr beinduckend in der ebenfalls beeindruckend schönen Kirche St. Clemens.
Angekündigt war ein interreligiöser musikalischer Dialog, angelehnt an die reichen Traditionen der christlichen Orgelmusik und der jüdischen Liturgie, dargeboten wurden Kompositionen jüdischer und christlicher Musiker – meist mit einem besonderen Bezug zum Judentum:
Louis Lewandowski (1821 -1894)
FEST-PRAELUDIUM Nr. 1 zu Rosh Hashannah, Orgel solo
Lewandowski war ein deutsch-jüdischer Komponist, der sich intensiv um die jüdische Liturgie bemühte. Nach ihm ist das Berliner Louis-Lewandowski-Festival benannt.
Rosh Hashannah ist das jüdische Neujahrfest.
Joseph Gabriel Rheinberger (1839-1901)
PRAELUDIUM c-Moll aus der Suite op. 166 für Viola und Orgel
Josef Gabriel Rheinberger war beliebt wegen seiner Kirchenmusik und seiner Orgelwerke. Der Münchener Hofkapellmeister wird auch heute als einer der bedeutendsten Komponisten seiner Zeit geschätzt.
Max Bruch (1838-1901)
KOL NIDRE op. 47 für Viola und Orgel
Kol Nidre (aramäisch) bedeutet „alle Gelübde“ und beschreibt eine Formel, die am Abend von Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnungstag, vor dem Abendgebet gesprochen wird. Mit dieser Formel werden alle Gelübde gegenüber Gott aus dem vorangegangenen Jahr aufgehoben. Gegenüber Gott – nicht im alltäglichen Leben! Leider wurde dies häufig missverstanden, denn man unterstellte den Juden, dass sie sich mit diesem Gebet aller Verpflichtungen entledigen könnten und somit unzuverlässig seien. Daher gab es immer wieder Bestrebungen, auf dieses formelartige Gebet zu verzichten. Erfolglos, wie Haim Mahlev feststellt:
„Alle Versuche, das Kol Nidre abzuschaffen, haben seiner Beliebtheit jedoch keinen Abbruch getan. Es ist eines der bekanntesten Gebete des Judentums und ein unvergleichlicher, eindrucksvoller Moment in der jüdischen Liturgie. Vielleicht bezieht es seine Kraft – wie sie auch die berühmte Komposition von Max Bruch (der selbst Protestant war) feiert – gar nicht aus seinem Wortlaut; sondern eben daraus, dass es schon so viele Jahrhunderte lang allen Kontroversen und Anfechtungen standhält.“
Quelle: Haim Mahlev (2015), Das Kol Nidre und die „bürgerliche Verbesserung der Juden“. Ein jahrhundertelanger Streit. URL: www.jmberlin.de/node/6209
Max Bruch ist in Bergisch Gladbach kein Unbekannter, ging er doch bei Maria Zanders ein und aus und verbrachte immer wieder Zeit in ihrer Villa und auf dem Igeler Hof. An seinem 80. Geburtstag wurde er zum Ehrenbürger ernannt. Der protestantische Künstler hat stets die Nähe zum Judentum gepflegt.
Jehan Alain (1911-1940)
„LES FETES DE L‘ANNEE ISRAERLITE“, Orgel solo
Jehan Alain war ein herausragender Komponist und Organist, der häufig auch in der Pariser Synagoge in der Rue Notre-Dame-de-Nazareth spielte. „Les Fêtes de l’Année Israélite“ ist von der jüdischen Liturgie inspiriert und thematisiert die Feste des jüdischen Jahres. Alain starb als Soldat an der Front.
Ernest Bloch (1880- 1959)
PRAYER aus „From Jewish Life“ (No. 1) für Viola und Orgel
Über Ernest Bloch und sein Werk „Schelomo – Hebräische Rhapsodie“: „Das mosaische Bekenntnis war für ihn Ausgangspunkt vieler Werke; um 1910 arbeitete er an einem umfassenden „Jüdischen Zyklus“, zu dem auch ‚Schelomo‘ gehört. 1917, im Jahr der Uraufführung seiner Rhapsodie, notierte er: ‚Ich bin ein Jude, und ich will jüdische Musik schreiben, nicht als Selbstzweck, sondern weil ich mir sicher bin, dass das der einzige Weg ist, auf dem ich Musik von Vitalität und Bedeutung schreiben kann – wenn ich es denn überhaupt kann.‘“
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-rhapsodie-schelomo-fuer-violoncello-und-orchester-von-100.html
Josef Sulzer (1850 – 1926)
SARABANDE op. 8 für Viola und Orgel
Joseph Sulzer war Sohn eines jüdische Reformkantors und studierte überaus erfolgreich am Wiener Konservatorium. Er arbeitete als Solocellist, im Hellmesberger-Quartett, als Chordirektor der Wiener Kultusgemeinde und war als Komponist tätig.
Alexandre Tansman (1897 – 1986)
RAPSODIE HÉBRAIQUE für Viola und Orgel
Alexandre Tansman wurde als Sohn polnisch-jüdischer Eltern geboren und entwickelte früh sein musikalisches Talent. Mit acht Jahren begann er zu komponieren. Tansman studierte an polnischen Musikakademien, wanderte dann aber nach Frankreich aus, von wo er auf einige Konzertreisen ging. Nach der deutschen Besetzung von Frankreich floh er 1941 in die USA. In Hollywood komponierte er hauptsächlich und sehr erfolgreich Filmmusik. Nach Kriegsende kehrte Tansman nach Paris zurück.
Joachim Stutschewsky (1891 – 1982)
3 ISRAELISCHE MELODIEN für Viola und Orgel
- Legend
- Raindrops
- Wanderer‘s Song
Joachim Stutschewsky war ein russisch-israelischer Musiker mit Wurzeln in einer Familie jüdischer Klezmorim. Schon als Kind spielte Stutschewsky Geige, später Cello. Er studierte am Leipziger Konservatorium. Der spätere Komponist und Musikwissenschaftler lebte nach 1914 in Zürich und hatte Kontakt zu zionistischen Kreisen, die ihn für das Erbe jüdischer Musik interessierte. Ihm ging es nicht um Musik, die Juden geschrieben hatten, sondern um „jüdische Musik“, also Musik, die das Jüdisch-Sein beschreibt. Sein Verdienst ist es, dass er sich um die Erhaltung und Fortschreibung dieser besonderen Musiktradition bemüht hat und ein Netzwerk jüdischer Musikorganisationen bildete. 1938 floh Stutschewsky in die Schweiz und von dort aus in das Heilige Land. Er wurde Musikbeauftragter des jüdischen Nationalrats. Neue Schwerpunkte seines Schaffens waren die chassidische Musik und die Volksmusik jemenitischer und sephardischer Juden.
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
2 LIEDER OHNE WORTE für Viola und Orgel.
- Adagio op. 53 Nr. 4
- Allegro non troppo op. 38 Nr. 2
Felix Mendelssohn ist als Komponist der Romantik, Pianist und Dirigent bekannt geworden und bis heute als einer der bedeutendsten Musiker seiner Zeit beliebt. Er entstammt einer jüdischen Familie, deren Kinder christlich erzogen wurden.
Die beiden Künstler…
haben sich gesucht und gefunden, um ihre Instrumente zusammen erklingen zu lassen und christlicher Orgelmusik und jüdischen Liturgie neu zum Leben zu erwecken.
Semjon Kalinowsky (Viola) stammt aus der Ukraine und erhielt seine musikalische Ausbildung in Lemberg und später in Danzig. Heute lebt er in Lübeck und bereist Europa und Israel als Solist und Kammermusiker. Einen kammermusikalischen Schwerpunkt bildet die Zusammenführung von Viola und Orgel. Dabei gilt sein besonderes Interesse dem Aufspüren alter Notenmanuskripte in den europäischen Musikbibliotheken. Für seine herausragende Tätigkeit wurde er vom Präsidenten der Ukraine mit dem Titel „Verdienter Künstler der Ukraine“ ausgezeichnet.
Guy Poupart (Orgel) kommt aus Sandefjord, Norwegen, erhielt jedoch seinen ersten Orgelunterricht bei Carlo Hommel in Luxemburg. Nach einem Chemiedoktorat widmete er sich wieder intensiv der Orgel (Konzertdiplom, Meisterkurse). Auch er bereist als vielfach ausgezeichneter Organist nicht nur sein Heimatland, sondern ganz Europa und bespielt berühmte Orgeln. Auch als Kammermusiker ist er bekannt geworden.
Eine Anekdote am Rand erzählte Semjon Kalinowsky: Die Musiker hatten schon viele Jahre zusammengearbeitet, bis sie zufällig feststellten, dass sie am gleichen Tag, dem 07.07., Geburtstag hatten. Immer stand die Musik, die gemeinsame Leidenschaft, im Vordergrund…




